Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Das Waleien
 
Osterbräuche: “Das Waleien”.

 

Von all den vielen Sitten und Gebräuchen, die früher zum Osterfest allgemein bekannt waren, sind bei uns nur noch das Osterei und der Osterhase als Festsymbole erhalten geblieben. Nicht zuletzt vielleicht auch nur deshalb, weil sich ihrer die Zuckerwaren-Industrie besonders angenommen hat. Die Verbindung von Osterei und Osterhase wird am deutlichsten da, wo der Wunderhase in einem Nest von unten selbst gelegten Eiern hockt.

 

Bereits 773 Jahre vor der Zeitenwende wurde in China am Tsingming-Fest ein bunt bemaltes Ei als Geschenk überreicht. Das Fest wird Anfang April gefeiert, wenn das Gras grün (tsing) ist und die Luft warm (ming) wird. Es fällt also mit unserem Osterfest zusammen. Noch im Jahre 600 v. Z. wird es in den Annalen der Tang-Dynastie erwähnt und eindringlich die Erhaltung des Gebrauches empfohlen. Auch die Perser kannten gefärbte Eier an ihrem Frühlingsfest Nouruz. Bei den Germanen und den slawischen Stämmen ist es ebenfalls seit alter Zeit bekannt.
Während man heute vielfach das Osterei mit Farben aus dem Laden färbt, verwendete man früher – teilweise natürlich auch heute noch – Zwiebelschalen zum Gelbfärben. Mit Färbeholz wurden sie rot oder schwarz gefärbt. Besonders bei letzteren verwendete man große Kunst. Auf glühenden Kohlen wurde Wachs flüssig gemacht und dann mittels einer Stricknadel auf die rohen Eier allerlei Namen und Girlanden gezeichnet. Wurden diese Eier nun in schwarzer Farbe gekocht, so blieben die mit Wachs behafteten Stellen weiß, so dass sich vom dunklen Grunde schöne weiße Zeichnungen abhoben.
Wie ist es aber nun zu dem eierlegenden Hasen gekommen?
Der Name Ostern soll auf die germanische Göttin Ostara (Göttin der Fruchtbarkeit) zurückzuführen sein, der zu Ehren man auch beim Feste kleine Märzhasen opferte. Im ganzen Mittelalter galt der Hase als Wundertier. Auch heute noch ist den Naturforschern die Vermehrungsfähigkeit der Hasen unklar. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass man sogar amtlich beglaubigte Protokolle kennen will, wonach Hasen Eier legten.
Sehr zahlreich waren früher die Spiele mit den Ostereiern im Freien. Außer dem heute noch bei uns bekannten Eiersuchen gab es noch vor etwa 80 Jahren in Kemberg das Eiertippen. Wenn man in der Schweiz mit den Eiern „dupft“, in Tschechien „tupft“, in Schwaben „bickt“ und anderswo „spickt“, „kippt“, „klippt“ oder in Belgien genau wie im alten Kemberg „tippt“, so bedeutet das allerorts die gleiche Fähigkeit und die gleich schwer zu erlernen Kunst. Zwei Kinder schlagen mit zwei hart gekochten Ostereiern mit dem spitzen oder stumpfen Ende gegeneinander. Wessen Ei dabei zerbricht der verliert und wird sein Ei los.
Viel länger hatte sich bei uns das „Waleien“ erhalten. Es wurde bei Pretzsch, Dobien und anderswo in unserem Heimatskreise gespielt. Heute wird man es aber kaum noch irgendwo finden. Am Ostertage ließen die Kinder Eier von Hügeln hinabkollern. Waren keine „Berge“ vorhanden, so ersetzten schräg abgeflachte Erdgruben dieselben. Ein gleichseitiges Dreieck wurde abgemessen und der Boden sorgsam geglättet. Früher durfte nur der angesehenste Bursche des Ortes das Spiel beginnen und die Reihenfolge festsetzen. Die Kinder spielen ja heute noch manche Spiele, die durchaus in alter Zeit von Erwachsenen ausgeführt wurden. Derjenige, dessen Ei nach dem Abräumen von der Spitze des Dreiecks aus auf der Grundlinie am weitesten nach links kam, konnte als erster Spieler beginnen. Die Burschen kannten die Kunstgriffe genau und wählten sich stark verjüngende Eier aus, deren Spitzen nach links wiesen.
Erst dann, nachdem sich die Zieleier selbst verteilt hatten, begann das eigentliche „Waleien“ in der „Welt“ oder „Walei“, wie das Dreieck benannt wurde. Der Besitzer des am weitesten links liegenden Eies begann ein weiteres hinunter laufen zu lassen. Trifft er eines der Zieleier, so gehörte ihm das getroffene und er durfte weiterrollen, fehlte er, so war auch hier das gerollte Ei verloren. –
Nur bei uns und dann weiter nach Osten zu, besonders in der Lausitz, war noch im vergangenen Jahrhundert das „Waleien“ verbreitet. Das Dreieck bedeutete sicherlich irgendeine alte heidnische Raumbezeichnung. Ich vermute, dass es wendischen Ursprung ist. Walei = Rollei (vergl. Wälgern = glattrollen, Walkholz bei Teigwaren).

Heinrich Kühne überarbeitet von Elke Hurdelbrink

Das Bild zeigt einen Holzstich, um 1900, nach Oskar Herrfurth