Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Die Audienz
 


Die Audienz.

Anekdote, erzählt von Erik Pandolf.

 
Als Friedrich Taubmann, der berühmte Wittenberger Professor und „lustige Rath“ am Hofe Christians II. von Sachsen, eines Tages wieder einmal in Dresden an der Hoftafel saß, fragte ihn die Kurfürstin Hedwig, warum er denn seine Frau nicht einmal mitbringe. Sie möchte sie gern kennen lernen.

 

Taubmann, der wusste, dass seine Frau mit der Zunge zuweilen etwas zu freizügig umging und in aller Unschuld Dinge zum Besten gab, die für fremde Ohren weder bestimmt noch ohne weiteres genießbar waren, kam dieser Wunsch nicht gerade gelegen, und so antwortete er, blitzschnell gefasst: "Meine Frau ist leider fast taub. Es würde für Euer Durchlaucht kein Vergnügen sein, sich mit ihr zu unterhalten."

"Taub? Aber das macht doch nichts", sagte Kurfürstin darauf, die sich vielleicht gerade wegen der Taubheit bereits einen neuen Spaß versprach, eine Bereicherung des komischen menschlichen Inventars, das an ihrem Hof – wie an fast allen größeren Höfen der damaligen Zeit, die feinere Vergnügungen noch nicht kannten – zu finden war.

Da konnte sich nun Taubmann nicht länger weigern. Aber er beschloss im Stillen, wenigstens einen Streich damit zu verbinden. Er ließ also seine Frau nach Dresden kommen und er erteilte ihr, bevor er sie zur Audienz führte, die Belehrungen, die er für erforderlich hielt. "Und dann", schloss er die Unterweisung mit der Betonung, "nimm dich zusammen und erzähle nicht Dinge, die niemanden außer uns was angehen!" –

Im Audienzsaal thronte auf goldenen Sessel, von ihrem Hofstaat umgeben, die Kurfürstin. Frau Taubmann wurde hereingeführt. Einen kurzen Augenblick musterte die Fürstin neugierig die junge, hübsche Frau und schrie dann plötzlich mit Stentorstimme: "Also sie sind die Frau unseres berühmten Professors! Wie sind sie dann mit ihrem Mann zufrieden, liebe Frau Taubmann?"

"O, recht gut! Manchmal bleibt er allerdings ein bisschen lange weg", antwortete Frau Taubmann, ebenfalls aus vollem Halse schreiend.

Die Fürstin wunderte sich darüber nicht, denn sie wusste, dass Schwerhörige oft ungewöhnlich laut reden, und fragte weiter: "Und wie haben Sie sich denn kennen gelernt?"

"Eigentlich schon als Kinder. Und eines Tages hielt dann Fritz bei meinem Vater um mich an."

"Na, und hat dieser gleich ja gesagt?"

"Nein, er wollte zuerst nicht."

"Warum?"

"Ich habe noch eine ältere Schwester, die damals noch unverheiratet war. Und da sagte mein Vater zu ihm, es sei Sitte, dass die ältere Tochter zuerst heirate."

"Ist ja gut! Und was hat dann ihr Mann da gemacht?"

"Da sagte er zu meinem Vater: Nein, es ist Sitte, die jüngeren Kinder zuerst zu Bett zu bringen. Hahaha!“

"Wie?" schrie die Fürstin entsetzt.

"Und da hat er gesagt: es ist Sitte, die jüngeren Kinder zuerst zu Bett zu bringen, schrie vor Taubmann, die ich anscheinend nicht verstanden glaubte, nun mit aller ihr zu Gebote stehenden Lungenkraft.

Als diese ihrer Art nach eigentlich nur für zwei Ohren bestimmte Mitteilung derart unter Gebrüll herauskam, konnten einige Hofdamen das Lachen nicht mehr halten. Die Kurfürstin aber schrie, mit Tränen in den Augen und Metall in der Stimme: "Aber die Unterhaltung mit ihrem Mann muss doch manchmal schwierig sein. Wenn er Ihnen nun mal etwas ganz Persönliches sagen will, ähem…, so hört das ja die ganze Nachbarschaft."

Die Stimme kippte ihr auf dem letzten Wort infolge einer krampfhaften Zwerchfellerschütterung plötzlich um. Sie kreischte nur noch in Fisteltönen. Die umstehenden Damen hielten sich fest. Nur Frau Taubmann blieb ernst und fragte verwundert: "Aber wieso denn?"

"Na, Sie sehen doch, wie ich brüllen muss. Sie sind doch fast taub!"

"Meinetwegen brauchen Eure Durchlaucht nicht so laut zu sprechen. Ich höre sehr gut", antwortete Frau Taubmann mit etwas Zurückhaltung.

Die Kurfürstin schnappte nach Luft: "Hören sehr gut! Aber warum brüllen Sie denn so?" fragte sie kreischend, obwohl das Schreien ja nun eigentlich nicht mehr nötig war.

"Ich denke, Eure Durchlaucht hören sehr schwer. So sagte mir mein Mann."

Kurfürstin Hedwig sank in ihren goldenen Sessel zurück, erschöpft und maßlos erstaunt. Allmählich aber begriff sie. Und sie ergötzte sich über den Possen, den Taubmann ihr und seiner eigenen Frau gespielt hatte, noch dergestalt, dass sie sich wie der Chronist meldet, ins Bett legen musste.

Quelle: Blätter für Heimatgeschichte Nummer 5_1932