Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Osterbräuche
 

 

Alte Osterbräuche in Heide und Aue

 

 


Ostern ist ein altgermanisches Fest, der Fr
ühligsgöttin Ostara gewidmet. Wenn das neue Licht die ersten Grashälmchen hervorlockte, wenn die Bäume anfingen sich mit frischem Grün zu belauben, dann durchzog Ostara segnend die Flur. Nun feierten unsere Vorfahren das Ostarafest.

Die ganze Dorfgemeinschaft zog hin­aus die jungen Burschen meist zu Pferde und umschritten in feier­lichem Zuge die Felder. Gleichzeitig wurde mit dem Pfluge eine Furche um das Besitztum gezogen, um die Geister des Misswachses, des Unwetters und all die anderen bösen Dämonen den Zu­gang zur Flur zu verwehren. An den Umgang schieß sich ein Wettkampf im Laufen. Springen und Reiten. Je höher die Leistungen bei diesem Spiel ge­steigert wurden, desto besser gediehen die Früchte im kommenden Jahr. Denn die im Wettkampf entwickelte Kraft übertrug sich nach der Meinung unserer Vorfahren auf die nächste Ernte. Hier­auf erfolgten das Opfer und die Opfer­mahlzeit, wobei auch der gemeinsame Umtrunk nicht vergessen wurde.

Noch heute umgrenzt der Bauer in manchen Gegenden unserer Heimat zur Osterzeit sein Feld mit dem Pfluge. Noch heute wird kein größeres Fest ohne Umtrunk und gemeinsames Mahl gefeiert, wobei allerdings der gemein­same Umtrunk durch Zutrinken ersetzt wird.

Ein wichtiges Sinnbild für Leben und Auferstehung war den germanischen Vorfahren das Bi. Man erkannte den in dem scheinbar toten Gebilde enthalte­nen Keim zu neuem Leben, und man glaubte diese Lebenskraft übermitteln zu können. Wer das Ei isst, der nimmt die in ihm schlummernde Lebenskraft auf. Darum vermehrte man zum Früh­lingsfest möglichst viele Eier und be­schenkte auch Bekannte und Verwandte damit. Man überreichte sie aber nicht einfach als Geschenk, sondern ver­steckte sie scherzhafterweise in Feld und Flur und ließ sie aufsuchen. Noch heute werden am Gründonnerstag und zu Ostern reichlich Eier oder Eierspeisen genossen, nur kennt man die Bedeutung nicht mehr. Für die Kinder versteckt man wohl noch heute die Eier in Haus, Hof und Garten und lässt sie aufspüren.

Symbolische Bedeutung hatten auch die jungen Zweige von Haselnuss, Birke und Weide, die der Germane zur Oster­zeit in sein Haus brachte. Sie waren ihm Sinnbilder des erwachenden Le­bens, der Kraft und der Gesundheit. Er berührte in feierlicher Weise alle seine Familienmitglieder damit, um die heilsamen Kräfte auf sie zu übertragen, dann band er einzelne Zweige zusam­men und steckte sie hinter Schränke, über die Flurschwelle oder an die Stall- und Scheunentür und glaubte so einen wirksamen Schutz gegen böse Geister und Unwetter zu haben. Bis auf den heutigen Tag ist es Sitte, bei anbrechendem Frühling Sträuße von jungen Zweigen, namentlich von der Saal- oder Palmweide, ins Haus zu holen, um damit sein Heim zu schmücken und sich an dem hervorsprießenden Grün zu erfreuen. Der ursprüngliche Sinn dieses Brauches ist aber verloren gegangen.

Quellen. Flüsse und Teiche glaubten die Germanen von allerlei Nixen und Wassergeistern belebt. Sie waren den Menschen im Allgemeinen günstig gesinnt und ver­liehen Wasser, namentlich zur Frühlingszeit, eine heilende Kraft. Daher gingen auch in der spä­teren Zeit Frauen und Mädchen am Ostermorgen vor Sonnenaufgang zum Wasser, aber stillschwei­gend, um die Geister nicht zu stören, füllten ihre Krüge und warfen dann einen Blumenstrauß als Dank und Opfergabe hinein. Das Wasser wurde im Hause aufbewahrt und blieb das ganze Jahr hin­durch frisch. Es wirkte heilend, besonders bei Augenkrankheiten und verschönte das Gesicht. Auch der Tau hatte einen wohltuenden Einfluss auf den Körper des Men­schen. Wer sich am Ostermorgen vor Sonnen­aufgang im nassen Grase wälzte, blieb das ganze Jahr hindurch gesund. Sogar die Hand, die über das taufeuchte Gras fuhr, wirkte heilend bei Be­rührung auf andere. So war der Glaube unserer  Vorfahren.

Jahrtausende sind über die altgerma­nischen Sitten und Gebräuche dahin gerauscht, aber trotzdem haben sie sich in Resten erhalten. So kärglich diese Überbleibsel auch sein mögen, so sind sie doch von größter Bedeutung, denn sie geben der Vorgeschichtswissenschaft wichtige Hinweise zur Erforschung der altgermanischen Kultur.  
                                                                                                            Storm

 

"F   r   e   i   h   e   i   t"      Nr.90   /    17.April   1954