Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Traurige Ostern 1539
 

Ein Brief Luthers aus dem Jahre 1539

Traurige Ostern im Wittenberger Land

von Heinrich Kühne

 Die ersten warmen Sonnenstrahlen der Frühlingssonne geben der erwachenden Natur neue Kraft. Auch wir Menschen fühlen uns wieder stärker und nehmen Anteil an diesem sich wiederholenden Wechselspiel. Die Ostertage mit allen ihren Sitten und Gebräuchen, ihren Märchen und Sagen zeigen so recht, wie der Mensch seit alters her diese Wandlung der Natur zu deuten versuchte, und wie er immer wieder von neuem Zauber des Frühlings gepackt wurde. Volkslied, Volkstanz in der schmucken Volkstracht drücken dies auch nach außen hin aus.

Wie oft im Wandel der Zeiten hat die Natur in reichem Maße den Menschen gegeben, was sie bedurften. Aber Gier und Geiz der besitzenden haben oftmals Hunger und Elend in die vier Wände des werktätigen Volkes einziehen lassen. Von solchen traurigen Ostertagen in unserer Heimat soll uns ein Brief Luthers an den Kurfürsten Friedrich berichten. Er schreibt darin wörtlich:


„Es ist hierzulande eine plötzliche Teuerung und unvorhergesehener Hunger eingefallen, daß wir gezwungen werden, Euer Kurfürstliche Gnaden anzurufen um Hilfe und Rat. Was vor Vorrat allhier zu Wittenberg sei, wissen Euer Kurfürstliche Gnaden ohne Zweifel zu rechnen. Jetzo nun Wittenberg die Städtlein Kemberg und Schmiedeberg mit gebackenem Brote speisen, daß der Rat mir saget, es gehe mehr Brots hinaus aufs Land, denn hier in der Stadt verspeiset wird. Noch halten etliche, dass solche Teuerung nicht sogar aus Mangel, als aus Geiz und Bosheit der reichen Junker komme, und ist des Redens mancherlei und seltsam, davon ich nichts sagen kann. Wohl sagt man, dass N. N. habe sich lassen hören, er wolle kein Körnlein verkaufen, bis ein Scheffel gelte 1 alt Schock oder 1 Gulden; dazu soll das Korn aus dem Lande geschafft und verführet sein. Doch tut die Elbe uns hierzu viel, dass man nicht malen noch backen kann, weil die Schloß-Mühle muss vor Wasser stille stehen. Es ist eine kleine Anfechtung, die doch groß wird werden, wo Euer Kurfürstliche Gnaden nicht hierinnen Hilfe und Rat schaffet. Sind doch die vom Adel ohnedies reich genug, dass nicht Not ist, armer Leute leben durch Hunger zu nehmen.

Mittwoch in Ostern, anno 1539.

Martin Luther D.“

 

Ob die Luther Worte beim Kurfürsten Gehör fanden, wissen wir nicht. Er hatte seine eigenen Sorgen, seine Hausmacht zu erhalten, denn schon zeichneten sich dunkle Wolken am Himmel ab. Acht Jahre später, fast auf den Tag genau – am 24. April 1547 – wurde er im Schmalkaldischen Krieg besiegt und gefangen genommen. Wittenberg hörte auf Residenzstadt zu sein. Wieder musste unsere Bevölkerung Not und Elend ertragen, als zur Osterzeit fremde Söldnerheere plündernd und mordend durch unsere Heimat zogen.

Auch hieraus ersehen wir, dass Ostertage nur im Frieden ihren Sinn behalten. Johannes R. Becher Worte mögen in unseren Herzen nachklingen, wenn er die Ostertage und den erwachenden Frühling begrüßt:

 

Wenn der Frühling lässt empor

Hoch den Himmel steigen,

Summt es in uns wie ein Chor

Nach des Winters Schweigen:

Friede, Friede sei auf Erden!

Menschen wollen Menschen werden.