Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Evangelischer Jünglingsverein_Geschichte
 


                             Bericht einer Wittenberger Zeitung zur Karnevalszeit 1926
                           Ein interessantes Schriftstück:


Die Geschichte des hiesigen Evangelischen Jünglingsvereins enthaltend, ist jetzt, in einer bleiverlöteten Flasche befindlich, bei dem Erweiterungsbau des Kaffeehauses Oskar Richter, Mittelstraße 1, in einer Mauer gefunden worden. Leider fehlt eine Angabe des Tages an dem das Schriftstück ausgestellt wurde. Das Schriftstück, das aus dem Jahre 1884 stammt, hat folgenden Wortlaut:
Der Wittenberger evangelische Jünglingsverein ist gestiftet von Diakonus Gebler am 18. September 1862. Sein Anfang war verheißungsvoll; viele Jünglinge und viele Handwerksmeister beteiligten sich rege an ihm. Seine Versammlungen hielt er zuerst im Auditorium der Superintendentur, danach in einem im alten Rettungshause (Mittelstraße 17) gemieteten Zimmer. Diakon Gebler starb schon am 18. Dezember 1863. Sein Amtsnachfolger übernahm auch die Leitung des Jünglingsvereins, es war Diakonus Koch. Unter ihm wurde auch die Herberge zur Heimat gegründet. Sie begann ihr Leben am 15. April 1864 sehr bescheiden mit Aufstellung von zwei Betten in demselben Hause, in welchem der Jünglingsverein sich versammelte. Der erste Herbergsvater war der Tischlermeister Küstenmacher. Mit dem 1. April 1865 trat der Webermeister Kampfhenkel an seine Stelle. Unter ihm mehrte sich die Zahl der Betten auf zwölf. Am 1. Juli 1870 wurde sein Nachfolger der Schneidermeister Wölfel. Im Juni 1876 ging Diakonus Koch als Pastor der lutherischen Gemeinde nach Elberfeld. Ihm folgte in der Leitung des Jünglingsvereins und der Herberge zur Heimat Diakonus Zintzlaff. Zu jener Zeit war der Jünglingsverein bis auf fünf Mitglieder zusammengeschmolzen, aber diese hielten desto treuer an ihm und sind der Kern gewesen, an dem sich wieder mehrere angeschlossen, so das seit Herbst 1878 die Mitgliederzahl zwischen 20-40 betrug. Die Herberge zur Heimat war inzwischen immer mehr in Aufnahme gekommen, so das 18 Betten aufgestellt wurden. Da das bisherige Lokal dem Verein nicht mehr genügen konnte, so ging derselbe mit seinen regelmäßigen Versammlungen – Montagabend – in dem Gasthof zum schwarzen Bären, und auch dieses Lokal nicht geeignet war, übrigens auch nur an einem Abend der Woche zu Gebote stand, so wurde das Verlangen nach einem eigenen dem Vereine immer zur Verfügung stehenden Lokale immer dringender. Auch die Herberge zur Heimat bedurfte notwendig ein eigenes Heim. Es schien auch gewisse Aussicht, das sogenannte Universitätdienergrundstück(Mauerstraße 21) für diese Zwecke von dem Fiskus kaufen und dann entsprechend umbauen zu können. Zunächst wurde dasselbe gemietet und in ihm gilt der Jünglingsverein seine Versammlungen am 1. April 1882 ab. Die Herberge übernahm mit dem 1. April 1879 der Schuhmacher Weber, weil der bisherige Herbergsvater dem Vorstand nicht in der rechten Weise sein Amt zu verwalten schien. Jener Hauskauf verzögerte sich aber von Jahr zu Jahr, und weil die Herberge unter allen Umstand im Juni 1884 im Vertrauen auf die Wunderhilfe des Allmächtigen die Baustelle Mittelstraße 1 für 4200 Mark. Im Spätsommer 1883 hatte des Feuers Gewalt das darauf stehende Haus verzehrt. Im August 1884 wurde der Bau des zur Herberge zur Heimat und als Versammlungslokal des Jünglingsvereins dienenden Hauses begonnen. Den Vorstand bilden zurzeit: Archidiakonus Zintzlaff – Diakonus Müller – Kirchenältester Böttger – Uhrmacher Engelmann (die beiden letzten sind von Anfang an treue Freunde und Förderer der Herberge zur Heimat und des Jünglingsvereins gewesen)– Schmiedemeister Fischer – Sattlermeister Marks; in Sachen Jünglingsvereins treten noch hinzu Nicolai, Schuhmachermeister, und Hamann, Privatsekretär. Den Bau hat Maurermeister Bethge für den Preis von 25.500 Mark übernommen. Dem Vorstand steht als technischer Beirat zur Seite: Garnisions-Bauinspektor von Rosainsky. Angaben sind bisher eingegangen in Summa etwa 5300 Mark, darunter allein von Buchhändler Kölling 3000 Mark.
Der treue Herr im Himmel halte seine allmächtige Hand schützend und segnend über diesem Werke! Er gebe in Gnaden, dass kein Unfall beim Bau vorkomme und dass das Haus vielen zum Segen werde! Im Vertraue auf ihn haben wir es empfangen – oh Herr hilf! Oh Herr lass wohlgelingen!

Diese Urkunde wurde zum Vermauern in das Fundament aufgesetzt.
Zitzlaff, Archidiakonus
Gefunden im Archiv Günter Göricke.