Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Die Wittenberger Specke
 

Die Wittenberger Specke

von Manfred Richter

 2 Pressemitteilungen im Jahr 2020 sind Veranlassung für diesen Artikel.

In der Mitteldeutschen Zeitung wird mitgeteilt, dass die Handelskette Penny ihren Markt „Penny an der Specke“ in der Friedrichstraße/Kreuzung Triftstraße eröffnet. Und in einer Machbarkeitsstudie Landesgartenschau Sachsen-Anhalt 2027 wird auf Seite 10 die „Speckebachpromenade“ vorgestellt.

Woher kommt der NameSpecke“?

Die Bezeichnung kommt in Deutschland in vielen Fluren vor, auch als Speck, Spicke, Spick, Spieke, Spich oder Spöck. Dieses Wort „Speck“ kommt also nicht von dem essbaren fetten Speck her, sondern ist eine Bezeichnung für einen aus Reisig oder Holzknüppeln gebauten Knüppeldamm, Knüppelweg zur Überquerung eines feuchten Gebietes oder auch für eine Knüppelbrücke zum Überqueren eines flachen Flussbetts. So lagen die Besitzungen einiger Bauern aus Labetz oder Friedrichstadt in der Gemarkung „Knüppels Dorf“. Die Bezeichnung ist seit dem späten Mittelalter in unveränderter Form im hochdeutschen wie auch im niederdeutschen Sprachraum bezeugt. Sie ist abgeleitet vom Althochdeutschen spach, spacha, spaha = Rute, Holzbündel, Faschine, spache = dürres Holz, Reis, und dem davon hergeleiteten spanahi, spechi = Damm oder Deich aus Reisig und Erde.

In Wittenberg wurde „an der Specke“ das zwischen Labetz und der Elstervorstadt gelegene Gebiet so genannt. Ältere Bewohner der Elstervorstadt erinnern sich noch an das Bauerngrundstück der Familie „Specke-Pappert“. So manche Frau aus der Elstervorstadt fand bei Papperts Beschäftigung: zum Erdbeeren pflücken, zum Kartoffeln ernten oder im Winter zum „Federnreißen“. Da trafen sich Frauen aus der Nachbarschaft und dem Bekanntenkreis. Nach dem Mittagessen ging es los. Beim Federnreißen wurden gleich die Federn in Bettfedern und Daunen sortiert. Zum Kaffee gab es Kuchen oder Pfannkuchen und abends noch ein kräftiges Abendbrot. Während der Arbeit wurden alle Ereignisse und Begebenheiten aus der näheren und weiteren Umgebung besprochen. War die Arbeit beendet, machte meist eine Flasche Likör die Runde. Das Gehöft aus roten Klinkern in der Specke Nummer 1 ist nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls roten Klinkerbau in der Friedrichstraße Nummer 32. Auch dieses Bauerngrundstück gehörte einer Familie Pappert. Beide Familien sind miteinander verwandt. Während die Besitzungen der Familie „Specke Pappert“ in der Specke lagen, erstreckten sich die Flächen der Familie aus der Friedrichstraße vorwiegend nördlich der Bahnlinien. Hier gehörten den Papperts mehrere Sand- und Kiesgruben. Nördlich der Tschaikowskistraße sind heute noch Spuren des ehemaligen Sand- und Kiesabbaus zu finden.

Das Gebiet der Specke wird durchflossen vom Faulen Bach. Dieser entspringt bei Euper, fließt vorbei an Abtsdorf, der Antoniusmühle, quert in Labetz die Hüfnerstraße, dann die Falkenberger Bahnstrecke. Der Faule Bach biegt ungefähr in Höhe der HEM Tankstelle nach Süden ab, fließt dann zum Teil offen neben der Triftstraße, wendet sich südlich des Kreisels in der Dresdner Straße nach Westen und mündet südlich der Grundstückstücke Dresdner Straße 154 und 154a in die Elbe. In der Nähe des Grundstücks „Specke Pappert“ fließt ein Teil des Wassers in einem „Verbindungsgraben Fauler Bach-Bahndamm“ entlang der Bahngleise. Außerdem Faulen Bach und dem Verbindungsgraben entwässert auch der Specke Bach die Specke. Zum Teil kanalisiert, quert er die Triftstraße, die Thomä Straße und fließt dann entlang des neuen und alten Friedhofs. Nahe der ehemaligen Hartungsschanze, ungefähr südöstlich der Brückenüberführung mündet er in die Elbe. Das Gebiet ist sehr feucht und diente jahrhundertelang der Viehdrift. Daher kommt der Name „Kuhlache“. Von der Luthereiche kommend, querte man die Bahnbrücke der Bahnlinie Berlin-Leipzig und die ehemalige Schrankenanlage der Strecke Falkenberg-Dessau. Gleich rechts der Dresdener Straße stand ehemals das Schützenhaus. Es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Mehrere Jahre waren die Ruinen noch sichtbar. Das Schützenhaus diente der Wittenberger Schützengilde als Veranstaltungsort. In Richtung Elbe dehnte sich das Gebiet der „Kuhlache“ aus. Hier fand noch nach dem letzten Weltkrieg die „Vogelwiese“ statt. Grafiken aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen Studenten der Wittenberger Leucorea beim „Vogelschießen“. Heute führt der Elberadweg über diese Fläche. Ostwärts befand sich einst die Badeanstalt „Zander“. Quer zur Elbe standen die Bootsschuppen der Ruderer und Kanuten. Über eine hölzerne Außentreppe gelangte man in die Umkleidekabinen. Parallel zur Elbe waren weitere Bootsschuppen. Breite Holztreppen führten auf eine großflächige Holzterrasse. Dahinter ermöglichten großflächige Fenster des Cafés den Blick auf die Badeanstalt in der Elbe. So mancher Wittenberger erlernte hier „an der Angel“ das Schwimmen, erwarb das „Freischwimmer-bzw. Fahrten- Schwimmerzeugnis“ oder gar den „kleinen bzw. großen Totenkopf“. Zum Freischwimmerzeugnis gehörte auch ein Sprung vom „Dreimeterbrett“. Für Aufsehen sorgten nicht nur die Kunstspringer, sondern auch die Wasserballer und die Wittenberger Schwimmer bei ihrem Training oder ihren Wettkämpfen. Die „Badeanstalt Zander“ mit ihren Bootsschuppen ist Vergangenheit. Dafür gibt es heute die Sportstätten der Wassersportgemeinschaft Wittenberg und des Ruderclubs Wittenberg an der Dresdner Straße.