Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Eichenwald wich der Industrie
 

Eichenwald wich der Industrie  
Vor 180 Jahren ging ein beliebter Ausflugsort verloren.

Westlich von Wittenberg, zu den Äckern der alten Gemeinde Piesteritz hin, befinden sich die Gemarkungen mit rötlicher Erde. Es ist naheliegend, dass diese Flächen mit ihrem rötlichen Schimmer namengebend für die Gemarkung Rothemark waren. Gleich hinter den Gärten der Schlossvorstadt gab es schon zu Luthers Zeiten ein
idyllisches Gutshaus in einem Eichenwald.


Das Gut wurde von einem Pächter bewirtschaftet, der dort eine Gartenwirtschaft betrieb. Für die Studenten war es ein beliebter Ausflugsort. Vermutlich fochten sie auch hier ihre Mensuren aus. Das waren Zweikämpfe mit blanker Waffe.
Bis 1840 gehörte das Rittergut der wohlhabenden Wittenberger Patrizierfamilie Giese. Karl Gottfried Giese hatte sich bei der Belagerung der Festung 1813/14 besonders verdient gemacht. 1840 verkauften die Erben der Familie Giese das Gut. Der neue Besitzer holzte den Eichenwald ab. Das Holz wurde zur Herstellung von Bahnschwellen für die neue Berlin-Anhalter-Eisenbahn verkauft, bzw. zum Bau des Bahnhofs verwendet.
So ging vor 180 Jahren den Wittenbergern ein beliebter Erholungsort verloren. Der spätere Gutsbesitzer Kelch betrieb dann auf dem Gelände ein Marmorwerk und eine Brauerei, die als "Aktien-Bierbrauerei Wittenberg AG Rothemark" noch bis zum Ende des zweiten Weltkrieges bestand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand auf diesem Gelände die Putzmittelfabrik "Siebel &Co., Köln-Braunsfeld, Zweigfabrik Wittenberg Rothemark". Im Zuge dieser Entwicklung machte das Gutshaus einem Gebäude im Stil der Gründerjahre, dem Zentrum eines weiteren Betriebes Platz: der "Aluminiumfabrik Paul Müller, Rothemark". Daraus wurde später der VEB Blechwaren. Haushaltchemie und Blechwaren hatten die alte Wittenberger Idylle endgültig verdrängt.
Heute hat sich an der Rothemarkstraße die WKT Wittenberger Kunststofftechnik GmbH angesiedelt.
Elke Hurdelbrink
Quellen: Dia-Negativ-Serie Max Senf †; Archivtexte Dr. Wolfgang Senst †