Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Sagen und Erzählungen vom Michelsberg
 

Sagen und Erzählungen vom Michelsberg

Von Otto Brachwitz - Treuenbrietzen.

Der genügsame Schäfer

Da ist einmal ein Schäfer gewesen, der war mit seinen Schafen am Michelsberg. Er spielte fast den ganzen Tag auf seiner Flöte. Plötzlich standen zwei schöne Mädchen vor ihm und tanzten zu seinen Liedern. Der Schäfer sagte nichts, sondern spielte immer weiter. Nach einer Weile fragten sie ihn ob er keinen Wunsch habe. Da meinte der Schäfer, er wünsche sich nichts und spielte einen neuen Tanz. Auch die Mädchen tanzten wieder. Das dauerte so lange, bis es Abend wurde, dann wollte der Schäfer seine Schafe heimtreiben. Aber die Mädchen führten ihn in den Berg, wo der Schäfer eine große Braupfanne voll Gold sah, die von einem Hund bewacht wurde. Da traute sich der Schäfer nichts zu nehmen, sondern ging wieder raus aus dem Berg.                                                                                                                                                                                           (Aus Grabo.)

Der hilfreiche Knecht

Eins pflügte ein Knecht am Michelsberg. Da hörte er plötzlich, dass er gerufen wurde. Er sah aber niemand. Darum pflügte er weiter. Es dauerte aber nicht lange, da rief es wieder: „Mak min Schötel janz, ick will back´n!“ Kurz entschlossen rief der Knecht zurück: „Jau, ick mak se, lei se up´n Woan!“ Als er beim Wagen ist, liegt wirklich den Schötel darauf. Er macht ihn ganz und legt ihn wieder rauf. Bald darauf beginnt es im Berg zu qualmen. Als er wieder einmal zum Wagen kommt stehen ein Glas Wein und Kuchen drauf. Er trinkt den Wein und ist den Kuchen. Dann war alles wieder verschwunden.   
Schötel: Türriegel                                                                                              (Aus Grabo.)

 Vom heimlichen Gang

Ein unterirdischer Gang führt vom Michelsberg nach Wittenberg zur Schlosskirche. So erzählen die Leute in Grabo und Kropstädt und in anderen Dörfern. Auch von Jahmo soll ein heimlicher Gang nach den Michelsbergen führen, denn in diesem Dorfe war früher ein festes Haus, ein richtiger Fachwerkbau, wie die Leute in Jahmo zu berichten wissen.

 Der Michelstein bei Berkau

Auf dem Michelsberg hat früher ein Michel gewohnt. Der ist vom Michelsberg nach Wittenberg immer unterirdisch gefahren. Manchmal ist er auch über Land geritten. Einmal kam er an einen großen Stein, der liegt an der Berkauer Grenze. Da hat sein Pferd darauf getreten, so dass noch heute eine Pferdespur zu sehen ist. Auch hat der Michel nachher auf dem Stein geruht. (Der Stein gehört zu den Riesensteinen, die auf dem Fläming verhältnismäßig häufig zu finden sind. Er ist 3 m lang, 1,25 m hoch und 1,70 m breit. Die Oberfläche ist stark zerklüftet. Auch eine Vertiefung, die als Pferdehuf gedeutet werden kann, ist schwach erkennbar. Der Stein liegt hart an der Kreisgrenze im Norden der Flur Berkau.)
 

Der merkwürdige Hase

Als ich noch so´n Junge war, holten wir sehr oft Torf vom Michelsberg. Wir hatten dazu einen Handwagen. Bei unserem Vater wurde es abends immer sehr spät. Einmal war schon ganz heller Mondschein am Himmel, als wir abfuhren. Ich musste vorn lenken, unser Vater stieß hinten am Wagen. Zwischen dem Schwarzen Berg und dem Michelsberg sprang mit einmal ein Tier an mich hoch. Ich schrie: „Vater, hier ist ein Tier!“ – „Dummer Junge, wer weiß, was du siehst“, sagte mein Vater. Ich aber schrie: „Vater, ich fürchte mich!“ Da kam mein Vater vor und sagte: „Das ist ja ein Hase.“ Wir nahmen den Hasen mit heim.
Wie es früher so war bei alten Leuten, so war auch unter unserem Ofen ein Loch. Da stecken wir den Hasen hinein und stellten ein Brett davor, sodass er nicht raus konnte, ganz fest. Am anderen Morgen war von dem Hasen nicht mehr zu sehen. Das Brett stand noch so, wie wir es am Abend hingestellt hatten. Alle Fenster und Türen war zu. Wie der Hase rausgekommen sein soll, kann ich mir nicht denken. Ich bin aber nicht abergläubisch, aber das mit dem Hasen hatte nicht seine Richtigkeit.        (Aus Grabo.)

Quelle: Beilage zur Zeitschrift „Deutsche Heimat“ Nr. 6 vom 18.11.1933                                                      bearbeitet Elke Hurdelbrink