Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Vom Apollensberg
 

Vom Apollensberg

Der 115 m hohe Apollensberg schiebt sich als südlicher Ausläufer des Flämings weit ins Elbtal vor und bietet durch diese seine Lage mehrfache Vorzüge vor anderen Höhen unserer Heimat. Aus diesem Grunde spielt er auch in der Geschichte und Sage eine Rolle. Seinen Namen hat der Berg nach dem an seinem Fuße liegenden Ort Apollensdorf erhalten. Bis zu Luthers Zeit und auch später noch führt dieser den Namen Boldensdorf, auch Bollensdorf, jedenfalls nach seinem Gründer Bolde (Balduin). Erst später wurde dieses Wort – offenbar durch Einflüsse vom benachbarten Anhalt – fälschlicherweise mit dem griechischen Gott Apollo in Verbindung gebracht, und so entstand der Name Apollensdorf.
Auf dem Apollensberge erbaute Herzog Rudolf III. (regierte von 1388‐1419) im Jahre 1400 eine Kapelle, welche der Jungfrau Maria geweiht und dem Allerheiligenstift in Wittenberg (der späteren Schlosskirche) zugewiesen wurde. Gleichzeitig wurde diese der bischöflichen Gewalt entzogen und direkt dem Papst unterstellt.
Der oben genannte Fürst hat am 18. Oktober 1401 den Ort Apollensdorf „mit allen und jeglichen synnen gerichten, obersten und nyddersten, mit boden, rente, gülden, diensten, weldern, wiesen, aeckern, wasserlaufften und zubehörungen“, zur Hälfte für den Kaplan auf dem Apollensberge und zur Hälfte für eine Spende dem Stifte (Allerheiligenstift) überwiesen (Meisner, Urkundensammlung 1668). Nach dem „Erbbuch des kursächsischen Amts Wittenberg“ vom Jahre 1513 waren „zur Bestellung der Messe auf dem Apollensberge“ 2 Schock 47 Groschen 5 Pfennige bestimmt. Bemerkenswert ist, dass damals an den Abhängen des Berges in größerer Ausdehnung Wein angebaut wurde. Das vorgenannte „Erbbuch“ verzeichnet unter den Einkünften der Stiftskirche (Schlosskirche):
„Vom Apollensdorfer Weinberg, den das Stift 1504 den Kurfürsten überlassen, den jährlichen Bedarf an Wein für die Kirche = 2 Schock 48 Groschen.“
Mit der Einführung der Reformation hörte der Gottesdienst in der Kapelle auf. Diese verfiel bald, und ihr Steinmaterial wurde von den Bewohnern der umliegenden Ortschaften als herrenloses Gut weggeführt. Nur eine Sandsteinplatte, die man ihrer Größe und Schwere wegen nicht fortbringen konnte, ist übriggeblieben. Leider ist die auf ihr angebrachte lateinische Schrift verwittert und nicht mehr zu entziffern. Bei den Anpflanzungen, welche der Eigentümer des Berges, die Universitätsverwaltung, um etwa 1914 dort vornahm, stieß man auf die Fundamente der ehemaligen Kapelle.
Auch sonst tritt der Apollensberg in der Geschichte unserer engeren Heimat wiederholt hervor. Zu verschiedenen Malen trafen auf ihm die Abgesandten der sächsischen Kurfürsten und der Fürsten von Anhalt zusammen, um Grenzstreitigkeiten und nachbarliche Differenzen zu schlichten. Eine solche Zusammenkunft geschah zum Beispiel im Jahre 1420 als Ulrich Schenke Quast von Dornburg wegen einer Forderung von 60 Rheinischen Gulden, die der Ritter Bernd von Sprone von ihm geliehen hatte, aber nicht zurückzahlen wollte, diesen mit Fehde überzog und dabei plündernd ins Kursächsische hinüberschweifte. Unter den auf dem Berge Versammelten befand sich auch Schenks Landesherr, Fürst Georg von Anhalt, um die Klage der kursächsischen Abgesandten entgegenzunehmen.
Auch in der Sage tritt der Apollensberg hervor. Diese erzählt: Vor vielen Jahren gingen mehrere Burschen aus dem Dorfe Apollensdorf an einem Sonntagnachmittag auf den nahen Apollensberg. Sie wanderten um den Berg herum und kamen zu der Stelle auf der einst die Marienkapelle gestanden hatte. Im Scherz schlug einer der Burschen seinem Kameraden die Mütze vom Kopfe, die den Abhang hinunter und in ein verfallenes Gewölbe rollte. Der Bursche kletterte nicht ohne Beschwerden in die Tiefe, um sein Eigentum wieder zu holen. Er fand die Mütze in einer Ecke des Gemäuers liegen. Als er sich danach bückte, bemerkte er einen Gang, der sich in der Richtung nach der Stadt Wittenberg hin erstreckte. Er teilte diese Wahrnehmung seinen oben wartenden Kameraden mit und ging ein Stück in dem dunklen Gange vorwärts. Plötzlich schimmerte ihm ein helleres Licht entgegen, und zu seinem Erstaunen sah er vor sich in einem gewölbten Raume drei Männer im Mönchsgewand sitzen, die an einem Tische eifrig Würfel spielten. Vor einem jeden lag ein Haufen Gold‐ und Silbermünzen. Freundlich winkte einer dem Burschen näher zu treten. Wohl beschlich ihn bei diesem Anblick große Furcht, aber er gehorchte der Aufforderung. Jeder der Mönche tat ihm eine Hand voll blanker Münzen in seine Mütze, doch befahlen sie im streng, niemand von dem zu sagen, was er gesehen. Eilig entfernte sich der Bursche und kletterte wieder den Abhang empor. Kaum aber war er wieder bei seinen Kameraden angekommen, so rief er ihm voller Freude zu: „Wenn ihr wüsstet, was ich gesehen habe! Wenn ihr wüsstet, was ich in meiner Mütze habe!“ Aber kaum hatte er diese Worte gerufen, so vernahm man im Berger ein lautes Krachen und Poltern. Als nun der Bursche erschreckt seine Mütze öffnete, da erblickte er darin statt der Münzen nur Unrat. Der geheimnisvolle Gang aber war seit der Stunde verschwunden. 
Die bevorzugte Lage des Apollensberges, die einen ziemlich umfassenden Blick nach allen Seiten gestattet, machen diesen zu einem beliebten Ausflugsziel. Es wurde seinerzeit ernstlich damit umgegangen, auf dem Berge eine Bismarckwarte zu errichten. Es fanden deswegen auch mehrere Besprechungen statt und in einer derselben – am 13. Juli 1914 – wurde bereits ein Ausschuss zur weiteren Verfolgung der Angelegenheit eingesetzt. Der Weltkrieg hat, wie so manchen anderen, auch diesen Plan vernichtet, dessen Ausführung dem Apollensberge eine neue Anziehungskraft gegeben hätte. Vielleicht ist dies aber der Zukunft vorbehalten.
Quelle: O du Heimatflur – Unser Heimatland 1. Jahrgang_01_1924 Verfasser ‐r.
Nachtrag: Die Papsturkunde ist zurzeit in der Ausstellung im Augusteum zu sehen: „Verehrt. Geliebt. Vergessen.
Maria zwischen den Konfessionen.“
Die Apollensdorfer veranstalten in jedem Jahr im September ein Apfelfest auf der Streuobstwiese am Apollensberg.                                                                                       Elke Hurdelbrink