Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Von alter wittenbergischer Baukunst
 

Von alter wittenbergischer Baukunst

Nach einem Artikel von Dipl.‐Ing. Winkler im Heimatkalender Wittenberg von 1922.
Die Bauarbeiten auf dem Marktplatz vor dem Rathaus in Wittenberg veranlassen mich nachfolgenden Artikel auszugsweise hier zu veröffentlichen.
Es gab einmal eine Zeit, in der die Wittenberger Bürger, obgleich sie höchstens ebenso leistungsfähig waren wie die heutigen, „Baukünstlern“ Aufträge gaben; und zwar war dies im 15. und 16. Jahrhundert so. Eine Anzahl der damals errichteten Bauten, öffentlicher wie privater, stehen noch an unseren Straßen. Sie sollten gepflegt und erhalten werden wie alles was selten geworden ist. Leider hat der größte Teil dieser Bauten schon recht einschneidende Veränderungen erfahren.
Ein wenigstens im äußeren verhältnismäßig unverändert auf uns überkommener Bau jener Tage ist das Wittenberger Rathaus. Die Achtung vor geistigen Werten überhaupt, ebenso die Achtung vor seinen Schöpfern und auch vor jenen vergessenen Bürgern, welche die Aufträge hierzu erteilten, sollte es uns leichtmachen, einen dieser letzten Bauzeugen rühmlicher Vergangenheit unbeschädigt den uns nachfolgenden Geschlechtern zu übergeben. Würden wir auch diesen Bau einmal verlieren oder verderben, so hätten wir dann außer der noch ganz im ursprünglichen Zustande erhaltenen Stadtkirche nichts mehr dieser Art, da alles andere, soweit es nicht schon ganz vernichtet wurde, entweder in erheblichem Umfange umgebaut oder verrestauriert worden ist.
Das Wittenberger Bauwesen zerfällt in vier markante Abschnitte. Der erste Abschnitt bedeutet die Zeit von der Stadtgründung bis zum Regierungsantritt Friedrich des Weisen. Charakteristisch für diese Zeit sind einfache Lehmfachwerkbauten mit allmählichem Übergang zum festen Steinbau. Steinbauten dieser Epoche sind die Stadtkirche und das ehemalige Hamlethaus. Letzteres ist aber schon gänzlich umgebaut und hierbei verunstaltet worden. Hierauf folgte die Zeit der Bautätigkeit Friedrichs des Weisen (vor und nach 1500), welcher hier seinen imposanten Schlossbau ausführte. Diese Zeit ist für die Stadt die verheißungsvollste, Wittenberg blüht auf. Die Stadt hat noch niemals so viel auszuübende Künstler in ihren Mauern zusammen gesehen wie in jenen Jahren. Alle die Namen aufzuführen, würde hier zu weit führen; es seien nur des bedeutendsten gedacht, Dürers, der unter anderem die Schlosskirche ausmalte und auch seinen berühmten Stich Adam und Eva hier ausführte auf wittenbergischem Papier.
Von diesen Bauten dieser Zeit ist so gut wie nichts erhalten. Nur die wenigen Reste von Schloss und Schlosskirche und Teile einiger Bürgerhäuser ermöglichen Schlussfolgerungen auf das Ganze. Die dritte Periode umfasst die letzten Dreiviertel des 16. Jahrhunderts. Der Hauptbau dieser Zeit ist das Rathaus. Seine Anfänge reichen noch in die vorhergehende Periode zurück (Unter‐ und Erdgeschoss). Von den Bürgerhäusern des dritten Zeitabschnitts ist das Melanchthonhaus zu nennen. Andere hierher gehörende Bauten sind die Stadtkirchentürme und das Augusteum. Das 17. Jahrhundert und die Folgezeiten, welche den vierten Zeitabschnitt darstellten, haben keine bedeutenden Bauwerke in Wittenberg hinterlassen.
Wittenbergs alte Bauten wecken aber auch noch andere Erinnerungen. Die beiden Menschenalter, welche sich um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts gruppieren, haben für die deutsche Architekturgeschichte eine ganz besondere Bedeutung. Wir erleben in dieser Zeit im Sächsischen, wobei das Kursächsische einen Hauptanteil nimmt, das Wirken einer Architektengeneration, welche wir wohl von den allgemeinen Zeitströmungen mit erfasst sehen, die aber trotzdem mit einer ganz selbstständigen architektonischen Formgebung hervortreten – für ihre Zeit „Moderne“ vorstellten –, also Neuerer auf ihrem Gebiete sind ihre Hauptvertreter sind Arnold von Westfalen, Flüge und Krebs; ihre Hauptwerke die Schlossbauten von Meißen, Wittenberg und Torgau, Torgau das köstlichste unter ihnen.
Den Originalartikel können Sie als Kopie im Büro des Heimatsvereins erhalten.
Elke Hurdelbrink