Heimatverein Lutherstadt Wittenberg und Umgebung e.V.
  Antoniusfeuer
 
"Elbe-Elster-Rundschau" 29. Oktober 1994

Hilfe und Beistand gegen Antoniusfeuer

In Reformationszeit bekannten sich Mönche auf „lichtem Berg“ zum Lutherglauben

 

Im frühen Mittelalter waren Seuchen und ansteckende Krankheiten eine Geißel der Menschheit. Eine sehr verbrei­tete Krankheit war die Mutterkornvergiftung (Ergotismus). Der Mutterkornpilz befällt vorwiegend, wenn während der Reifezeit ein feuchtwarmes Klima herrscht, den Roggen und ist von erheblicher toxi­scher Wirkung.

In einer Zeit, da sich die Men­schen meist von Getreide, Brot, Grütze und Brei ernähr­ten, und angesichts der vielen Hungersnöte und einer nichtentwickelten Vorratswirt­schaft wurde auch das befalle­ne Getreide einer neuen Ernte in Unkenntnis der Folgen gie­rig verbraucht.

Man kennt zwei Erschei­nungsformen dieser Mutter­kornvergiftung: die Krampf­seuche und die Brandseuche. Bei erster kommt es zu schwe­ren Krämpfen ganzer Muskel­gruppen bis hin zum Muskel­schwund. Bei der anderen Form der Vergiftung gibt es durch Verengung der Blutgefä­ße eine Unterbrechung der Blutzirkulation, was ein Ab­sterben der Gliedmaßen zur Folge hat.

Schon Ende des 11. Jahr­hunderts bildete sich im heuti­gen St. Antoine (Frankreich) eine Spitalbruderschaft von Laien, die sich der Pflege der an der Mutterkornvergiftung Erkrankten annahm. Aus der Laienbruderschaft wurde im 13. Jahrhundert ein Orden von regulierten Chorherren, der Antoniterorden. Seinen Na­men hatte der Orden von St. Antonius Eremita (ca. 251 - 356), dessen Gebeine von Ägyptern nach Frankreich ge­langt waren. Diese Begräbnis­stätte wurde von Pilgern und Kranken aufgesucht, um vom „Heiligen“ Hilfe und Beistand gegen das „Antoniusfeuer“ zu erbitten.

Mit der ungeheuren Ver­breitung der Mutterkornver­giftung über ganz Europa er­fuhr auch der Antoniterorden an Bedeutung und Ausdeh­nung, die dazu führte, dass im 15. Jahrhundert in ganz Euro­pa etwa 370 Niederlassungen bestanden.

Die Antoniter brachten den von schweren Schmerzen und körperlich entstellten Patien­ten große Hilfe, Linderung und Pflege. So entwickelte sich auch auf dem „lichten Berg“ bei Prettin aus einer Samariter­herberge ein Antoniterkloster. Die Mönche wirkten auch in der hiesigen Gegend vorwie­gend in der Kranken- und Ar­menpflege. Viele Kranke, wie die vom Mutterkornbrand be­fallenen und entstellten, ver­stümmelten, wurden zu Lang­zeitpatienten. Um diese Pfle­gedienste leisten zu können und die nötigen Mittel zu be­schaffen, gingen die Antoniter von Ort zu Ort und baten um Spenden. In der Zeit der Natu­ralwirtschaft erhielten sie von der Bevölkerung Getreide, Früchte, Räucherwaren und häufig auch ein Schwein. Oft­mals war dies ein Ferkel, wel­ches die Antoniter dann bis zur Schlachtreife hielten.

Die den Mönchen gespende­ten Schweine durften, im Ge­gensatz zu den Schweinen der Ortsbewohner, frei in der Stadt herumlaufen und ernährten sich von den vielen herumlie­genden Abfällen. Als Kennzei­chen erhielten die Antoniusschweine ein T auf den Rücken gemalt, das Zeichen der Antoniter. Ein „T“ trugen die Anto­nius-Brüder in hellblauer Far­be auf ihrem Gewand. Das T sollte eine Krücke der vom An­toniusfeuer Verstümmelten, Verkrüppelten darstellen.

Bei ihren Sammelfahrten trugen die Mönche einen lan­gen Wanderstab in Form eines T, an dessen oberem Ende Glöckchen aufgehängt waren. Damit machten sie auf ihre Sammeltätigkeit aufmerksam.

In der heutigen Zeit, wo wir in einer großen Solidargemeinschaft krankenversichert sind, und selbst teure, langwierige ärztliche Behandlungen von Krankenkassen getragen wer­den, kann man sich kaum vor­stellen, wie hilfreich und wich­tig die Dienste der Antonitermönche damals waren.

Der Antoniterorden war so reich, dass sich Luther, der häu­fig in dem Hause Lichtenbergk zu Gast war, äußerte: „Den Reichtum der Lichtenberger Mönche könne man schwer mit drei Tonnen Gold aufwiegen.“

In der Zeit der Reformation bekannten sich Mönche und selbst der Klostervorsteher zum Lutherglauben. Da Luther Augustiner war, hatte er auch Zugang zum Antoniterkloster.

Im Kloster Lichtenbergk fanden wichtige Unterredun­gen zwischen Luther und ei­nem Vertreter des Kurfürsten Friedrich des Weisen 1518, und zwischen Luther und dem Abgesandten des Papstes 1520, nach Androhung der Bannbulle, statt. 1530 brann­ten Teile des Klosters nieder.

Auf dem Gelände des ehe­maligen Klosters ließ der Kur­fürst August von Sachsen das Schloss Lichtenburg als Wit­wensitz für seine Gattin Anna errichten.

Als Sachzeugen findet man heute noch im ehemaligen Wirtschaftsteil des Schlosses eine Sandsteintafel vom Klo­sterpräzeptor von Orsoy (1493).


Karl Hennig




Das Wappen des Anioniterordens.

Nach Siebmachers Wappenbuch.